Zum Punkt 9 der Themenübersicht:

 

Der Künstler Norbert Ernst Herrmann liest gerne populärwissenschaftliche Abhandlungen (die er verstehen kann) über die Geheimnisse des Lebens und die Geschichte der Menschheit. Der mit vielen internationalen Preisen bedachte Astrophysiker Heino Falcke - er ist Leiter des wissenschaftlichen Rates des Event-Horizon-Telescope-Projekts, das 2019 das erste Bild eines Schwarzen Lochs präsentierte - ist Professor an der Radboud - Universität in Nimwegen und hat mit dem Wissenschaftsjournalist Jörg Römer das Buch "Zwischen Urknall und Apokalypse" geschrieben. In einem Interview von Michael Hesse wurde er von diesem gefragt: "In ihrem Buch schreiben Sie, die "Schöpfung habe einen Sprung in der Schüssel". Was meinen Sie damit?" Falcke antwortete: "Es gibt in der Welt kleine Unregelmäßigkeiten, Asymmetrien, die entscheidend sind. Zum Beispiel bei der Materie-Antimaterie-Symmetrie: Eigentlich hätte sich beides auslöschen müssen, perfekt ausgeglichen. Aber es gab eine winzige Abweichung - und nur deshalb existieren wir. Vollkommene Symmetrie wäre Stillstand, Tod. Erst Brüche, Spannungen, kleine Imperfektionen bringen Bewegung und Leben." ( Frankfurter Rundschau, Nr. 207, 6. 9. 2025 )

Die künstlerischen Intuitionen von Norbert Ernst Herrmann drehen sich genau um diesen Punkt. Er sagt: "Mir war zu Anfang meiner künstlerischen Beschäftigung, spätestens nach meiner Beschäftigung mit Victor Vasarely klar, - und ich konnte auf meine Anfänge noch als Kunststudent zurückgreifen - um Ambivalenz im visuellen Sinne zu erzeugen, müssen Felder von Ordnungsstrukturen sichtbar sein, damit Unordnungen durch kleine Änderungen auffallen können. Die visuelle Figur/Grundbeziehung gibt mir die Gelegenheit, entsprechende Spannungen von Vordergrund und Hintergrund visuell zu erzeugen, die Irritationen bewirken können, die auch einen psychischen Widerhall - eben Ambivalenz - spürbar machen. Das hängt natürlich von der Aufnahmebereitschaft von Betrachter*innen ab. Doch das betrifft jede Art der Kunst."    

 

Nach der Lektüre des Buches meint Norbert Ernst Herrmann: "Der Astrophysiker Heino Falcke beschreibt mit seinem Co-Autor Jörg Römer ein Universum - dessen Bestandteil wir sind - welches vom Urknall bis zum wahrscheinlichen, völligen Verblassen als Apokalypse - in dauernden Umbrüchen ist, dass einem oft ganz schwindelig wird beim Lesen und Nachdenken. Er ist gläubiger, christlicher Protestant, macht es aber auch Ungläubigen wie mir einfach, von seinen Ausführungen, die wohl den Stand der Wissenschaft zum Thema zusammenfasst, nicht abgeschreckt zu werden. Er tritt deutlich dafür ein, den Klimawandel nicht zu leugnen - dann könnte man auch gleich die Wissenschaft abschaffen, meint er zu Recht -, sondern alles zu tun, um die leider schlimmen Folgen des Klimawandels, die vielen Stürme und Überschwemmungen, denen heute, aber noch mehr zukünftig viele Menschen, Tiere und Sachen zum Opfer fallen,  adäquat als weltweite Aufgabe zu begegnen. Was immer noch geht!  Auf den letzten Seiten seines Buches, das voller Hoffnung und Zuversicht ist, schreibt er:

"Fast jedes Proton in uns entstand in den ersten drei Minuten nach dem Urknall. Die Atome in uns wurden im Feuer der Sterne geschmiedet, den Boden, auf dem wir stehen, und das Material aus dem wir gemacht sind, sind Sternenstaub aus der protoplanetaren Scheibe. Unsere Zellen erhoben sich aus dem Schlamm des Urmeeres, in ihrer Struktur und Erbinformation spiegeln sich Milliarden Jahre von Klimakapriolen, tanzenden Kontinenten und kosmischen Einschlägen wider. Die immer weiter fortschreitende Entwicklung des Lebens hat uns von toter Materie zu einer einfachen Zelle und schließlich zu einer komplexen, den Planeten umspannenden Zivilisation gebracht. 

Die ganze Entwicklung des Kosmos, angefangen mit den Naturkräften, die in uns wirken, der Materie, die uns ausmacht, und der Geschichte, die uns geformt hat, sitzt heute noch in uns. Wir sind im wörtlichen und übertragenen Sinne, das Gedächtnis des Universums. Darüber hinaus sind wir auch Überlebende einer Geschichte von Katastrophen, die das Universum, unseren Planeten und das Leben immer wieder umgewälzt haben. immer wieder hat das Kleine das Große beeinflusst und umgekehrt. Die einzige Konstante dabei war die Veränderung." (ebenda, Seite 411f)