Deutsche Staatsräson von Herrmann

Norbert Ernst Herrmann gestaltete diese Design-Grafik als Protest gegen die hartnäckige Weigerung der deutschen Regierung, härtere Maßnahmen gegen die rechtsradikale Regierung in Israel zu ergreifen. Inzwischen ist durch den brüchigen Waffenstillstand eine andere Lage entstanden, doch es lohnt sich nach Auffassung von Norbert Ernst Herrmann noch einmal, die kontroversen Standpunkte Revue passieren zu lassen:

Seit der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel gehört der Staat Israel zur deutschen "Staatsräson". Was noch? Vielleicht auch die "Menschenwürde" des Grundgesetzes, sowie das Völkerrecht der UN, das "aushungern" als Kriegswaffe eindeutig verbietet? Der Historiker Prof. Frank Trentmann schrieb schon  im Spiegel Nr. 50 vom 9.12.2023 in seinem Essay "Mehr Empathie wagen":

 "Die Bundesrepublik steht auf dem moralischen Prüfstand. Nach dem grauenvollen Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober haben die Regierung und alle Parteien eindeutig ihre Solidarität mit Israel erklärt. Die Zivilgesellschaft jedoch wirkt auf viele auffallend still, ja gleichgültig inmitten einer steigenden Zahl antisemitischer Vorfälle. (...) Mit seiner eng ausgelegten Staatsräson läuft Deutschland Gefahr, sich selbst zu marginalisieren - nicht nur in den Vereinten Nationen, sondern auch in der Europäischen Union: Spanien und andere Länder haben auf einen sofortigen Waffenstillstand gedrängt, und viele EU-Bürger ebenso wie viele Briten kritisieren sehr offen die Art der israelischen Kriegsführung. (...) Das "Nie wieder!" muss verbunden werden mit einer Ermahnung, wachsam zu sein bei allen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Aber passt das zur deutschen Staatsräson? Das ist das Dilemma und die große Frage, vor der Deutschland steht." 

Der damals hochbetagte Altkanzler Helmut Schmidt nannte die Rhetorik von Israels Sicherheit als deutscher Staatsräson 2010  eine "gefühlsmäßig verständliche, aber törichte Auffassung, die sehr ernsthafte Konsequenzen haben könnte". (Zeit-Online vom 17. Mai 2024) Mittlerweile haben "bereits 28 Staaten, darunter 20 aus Europa, sowie eine EU-Kommisarin ein sofortiges Ende des Krieges gegen Gaza verlangt. Deutschland hat aber nicht unterschrieben. Inzwischen dringt die SPD auf einen Kurswechsel. (...) Der Druck auf die Bundesregierung, härter gegen Israel vorzugehen wegen seines militärischen Vorgehens im Gaza-Streifen, wächst von verschiedenen Seiten. Deutsche Diplomatinnen und Diplomaten, Friedesforscherinnen und - forscher, aber auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken erhebt in diesem Sinne die Stimme." (Frankfurter Rundschau, 25.Juli 2025) "Die ehemaligen Botschafter (...) Martin Kobler, zuletzt Botschafter in Pakistan, und Hansjörg Haber, früher Botschafter im Jemen, formulieren es drastisch: " Wenn die Existenz und Sicherheit Israels Teil deutscher Staatsräson sind, darf Deutschland auch nicht dazu beitragen, dass Israel sich selbst verliert und ruiniert." Wenn Israel ein "internationaler "Paria-Staat" werde, werde dies die Existenz des Landes nicht sichern." (ebenda)

Norbert Ernst Herrmann vermutet, dass hinter der Regierungsblockade der Merzregierung in dieser Sache die Israelische Zusage steht, der BRD bald weitreichende Raketenabwehr-Systeme zu liefern.  Die Schutz bieten sollen, sollte der Krieg Russlands gegen die Ukraine eskalieren und es auf Deutschlands Städte womöglich russische Raketen regnen - wie in der Ukraine. Darüber werde öffentlich leider wenig gesprochen, stellt der Künstler fest. Es gehe also nicht nur um die Einstellung der Waffenlieferungen deutscher Rüstungsgüter an Israel. Das dann auch entsprechend reagieren würde.  Zweifellos ein Dilemma.  Doch angesichts der Hungersnot im Gaza, die Israel zu verantworten hat, weil sie alle Zugänge zum Gaza-Streifen kontrolliert, bleibt eigentlich - will Deutschland sich sowohl aus innenpolitischen, als auch aus außenpolitischen Gründen - nichts anderes übrig, als härtere Maßnahmen gegen Israel zu ergreifen.  Juden und Jüdinnen, die das hier in der BRD fordern - in Israel tun das auch viele - werden von offiziellen, politischen Stellen als "antisemitisch" verunglimpft.

"Wie absurd", meint Norbert Ernst Herrmann, "und direkte Folge einer unsinnigen Doktrin. Natürlich muss Deutschland die Erinnerung an den Holocaust, den das Hitler-Regime mit Hilfe große Teile der deutschen Bevölkerung an 6 Millionen deutschen und europäischen Juden und vielen anderen Menschen verursachte, wach halten. Keine Frage! Doch aus Opfern und deren Nachkommen können auch Täter werden - aus Gründen wie auch immer. Helmut Schmidt, "meint Norbert Ernst Herrmann, "  hatte in diesem Punkt einfach recht."

Am 9. August 2025 stand in der Rheinpfalz, dass die Bundesregierung den Waffenexport an Israel, nach der angekündigten Ausweitung des israelischen  Militäreinsatzes im Gazastreifen, "bis auf Weiteres" gestoppt hat ( Inzwischen wieder aufgehoben, nach dem öfters von beiden Seiten gebrochenen Waffenstillstands. )

Der innen - und außenpolitischen Druck wurde (damals) zu groß. Vertreter*innen des reaktionären Teils von CDU/CSU schäumten und wird ihr Liebäugeln mit der faschistischen AFD verstärken.  Das löst die Probleme, die durch die Existenz der unsinnigen politischen Doktrin der "deutschen Staatsräson", was die Sicherheit des Staates Israel betrifft - auch im Sinne Helmut Schmidts - nicht. Doch ein Anfang ist gemacht, meint der Künstler. Dass der neue Bundeskanzler und Multimillionär Merz Beschwichtigungsformeln an seine CDU/CSU sendet, ist normal. Ob sie ihm nützen, steht dahin...

In dem Interview mit dem israelischen Philosophen Omri Boehm (hier auch unter Punkt 18 der Themenübersicht) fragte Der Spiegel: "Die Debatte in Deutschland ist auch geprägt von dem Begriff der "Staatsräson". Ist der Schutz Israels die Pflicht, die aus der deutschen Schuld erwächst?" Boehm antwortete: "Es gibt einen Unterschied, ob man den Schutz Israels meint oder den Schutz Israels vor dem Völkerrecht. Ersteres ist wichtig und legitim. Letzteres bedeutet keinen Schutz, sondern Mittäterschaft. Ganz abgesehen davon: Israel hat ein Recht zu existieren. Wer fordert, das Völkerrecht und internationale Institutionen zu delegitimieren, um Israel zu "schützen", untergräbt damit die Grundlagen, auf den dieses Recht beruht. Es wird oft angenommen. dass das Völkerrecht im Widerspruch zur staatlichen Souveränität steht. Das ist ein Irrglaube. Im Fall Israels muss man sagen, dass das Beharren auf absoluter jüdischer Souveränität ein tragischer Mechanismus der Selbstzerstörung ist. Indem Israel das Völkerrecht ignoriert, hat es selbst die größte Bedrohung für seine Existenz geschaffen: durch die Siedlungen. Sie haben zu einer Situation geführt, in der die palästinensische Bevölkerungshälfte in einem israelisch kontrollierten Gebiet lebt, das nicht mehr geteilt werden kann. Das Völkerrecht gefährdet die Existenz Israels nicht. Es schützt sie." ( Der Spiegel, Nr. 44. 24.10.2025)