Zum Punkt 25 der Themenübersicht:

Norbert Ernst Herrmann sagt heute über seine Kriegsdienstverweigerung 1968: 

"Ich war damals bis zu meiner Anerkennung ein Jahr bei der Bundeswehr, mit Gefängnis und allem, was wahrscheinlich ein Kriegsdienstverweigerer damals beim Bund so erleben konnte. Ich war aber nicht völlig schutzlos, denn ich kannte mich im Soldatengesetz sehr gut aus, was mir bei Vorgesetzten einen gewissen Respekt verschaffte, denn ich beriet natürlich Kameraden (was die Kameradschaftspflicht des Soldatengesetzes erlaubt), die bei Übergriffen von Vorgesetzten gegen sie fleißig und mutig Beschwerden schrieben.

So wurde ich mit der Zeit von Vorgesetzten wie ein rohes Ei behandelt.  Der Grund meiner schließlichen Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer war aber nicht pazifistisch motiviert, sondern politisch: Ich zog die Wirksamkeit der "atomaren Abschreckung" grundsätzlich in Zweifel. Nicht nur aus abstrakt rationalen Gründen, sondern auch, weil durch Irrtümer oder Unfälle die Menschheit droht, sich selber auszulöschen. Was später auch durch viele Medienberichte als "Beinahe-atomare-Unfälle" bestätigt wurde. Am Deutlichsten 1983, als nur durch die Besonnenheit eines russischen Offiziers ein atomarer Weltkrieg verhindert wurde, weil er die Meldung seiner Computer, dass amerikanische Atomraketen im Anflug seien, als Computerfehler erkannte. Und so die russischen Atomraketen in den Silos blieben. Auch schon bei einem Fehlalarm 1979, als das Frühwarnsystem der USA meldete, dass 1400 Interkontinentalraketen im Anflug seien, der sich aber rasch als Irrtum herausstellte, hält der Sicherheitsexperte Livio Horovitz von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin heute für wenig wahrscheinlich, weil die Nuklearmächte viel getan hätten, solche Szenarien auszuschließen. Andererseits sei die Wahrscheinlichkeit eines Nuklearkriegs in letzter Zeit gewachsen, weil es heute viel mehr Atommächte gebe und die Unberechenbarkeit von Politikern gewachsen sei. "Nach Ende des kalten Krieges dachten wir die Gefahr sei vorbei. Das war ein Irrtum."  ( Der Spiegel Nr. 46, 7.11.2025)   Insofern war meine Kriegsdienstverweigerung 1968 damals voll berechtigt und ist sie auch heute, weil meine Gründe damals auch heute aktuell sind.   

 

Heute ist natürlich eine völlig andere politische Situation in der Welt und vorallem Europa. Nicht zuletzt wegen dem unberechenbaren Psychopathen im Weißen Haus der USA. Die Sowjetunion war 1968 wie der Westen am Status quo interessiert. Doch heute führt das diktatorische Russland unter Putin in Europa einen Eroberungskrieg gegen die Ukraine, rüstet permanent auf, politische Oppositionelle landen im Gefängnis oder emigrieren und die eingeschüchterte Bevölkerung - Opportunisten gibt es natürlich wie überall auch - wird zunehmend militarisiert und gegen den angeblich "dekadenten" Westen ideologisch munitioniert. Das sind Tatsachen.

Putin und die herrschende Oligarchie in Russland sehen Russen*innen und Ukrainer*innen als "ein Volk", das sie militärisch "wiedervereinigen" wollen. Erst in letzter Zeit taucht diese in Russland weitverbreitete Haltung, die durch viele Zeugnisse von staatsfrommen, russischen Intellektuellen, wie etwa Alexander Dugin  belegbar sind, auch in deutschen Medien auf - spät, aber doch. Zur Zeit der Merkel-Regierung las man da noch wenig.

Wie auch immer:  Das wäre das selbe, als wenn Deutschland das kleinere Österreich, Teile von Italien und  der Schweiz militärisch "zwangsvereinigen" wollte, weil da schließlich auch oft deutsch gesprochen wird. Gegen solchen Unsinn müsste man sich wehren! Deshalb ist die militärische Unterstützung der Ukraine nach dem Völkerrecht gerechtfertigt. Das kann dauern und wird Europa einiges kosten. Allerdings kann der Psychopath im Weißen Haus der USA dem legitimen Interesse der Ukraine einen Strich durch die Rechnung machen, in dem er ihr die militärische Unterstützung der USA entzieht, weil er mit Putin in Alaska, Grönland und wo immer auch Geschäfte machen will und das als legitime Interessen der USA ausgibt. Dann wäre die Ukraine gezwungen, Zugeständnisse an Russland zu machen. Denn Europa kann die Hilfe der USA kaum ersetzen.